Papa, wann gehen wir wieder angeln?

Papa, wann gehen wir wieder angeln?

Mit diesen Worten lag mir mein Sohn Finn, 6 Jahre alt, schon seit Tagen in den Ohren. „Am Samstag mein Sohn. Samstag hat die Mama Mädchen-Nachmittag, da machen wir die Flatter.“ Gesagt getan. Ich rief noch Markus an ob er mitgeht, an Stadtweiher, ein bißchen die Hechte ärgern. „Na klar!“ war seine Antwort. „Ich hab’ da eh noch so’n paar neue Köder die ich ausprobieren möchte.“ So zogen wir los. Samstag Nachmittag, bewölkter Himmel, Wind und ein paar Tropfen Regen. Am Weiher angekommen erstes Fachsimpeln.  Welcher mag wohl der richtige Köder sein für diese Bedingungen? Markus entschloss sich schnell! „Ich probier’s mit dem Frosch! Den hab ich noch nie benutzt!“
Ich antwortete: „Den Frosch? Jetzt? Einen Oberflächenköder? Ist das nicht eher was für den Sommer?“
Markus optimistisch: „Wenn die Hechte Hunger haben dann ist denen das egal ob der Frosch da im Sommer oder im Herbst rumhüpft!“. Finn war noch hin und her gerissen. Wobbler, Gummifisch, Spinner, was sollte er nehmen? Letztendlich könnte er nicht widerstehen und tat es Markus gleich. Er wählte ein Froschimitat. „Den hab ich mir ausgesucht als ich mit’n Markus im Angelladen war!“ berichtete er stolz.
Ich dagegen entschied mich für einen klassischen Gummifisch, weiß mit roten Flossen.

Dann die ersten Würfe. Wir standen verteilt an der Uferseite wo der Schotterweg entlang geht.Finn links, Markus rechts und ich in der Mitte. Finn tat sich noch etwas schwer mit dem Frosch, es waren jetzt doch ein paar Gramm mehr als sonst dir er beschleunigen musste!
Markus hingegen feuerte seine Gummi-Amphibie weit raus auf’s Wasser! Begeistert von der Funktion der Spinnerblätter die der Frosch hinter sich her zog, holte er ihn ein um ihn erneut den Hechten zum Fraß vorzuwerfen. Und da, ein Schrei, Wasser spritze! Markus rief begeistert: „Da war einer! Der wollt den haben!“ Ich sah nur noch die Wellen und war erstaunt. Das es jetzt so schnell ging, damit habe ich nicht gerechnet!


Finn war jetzt noch motivierter als zuvor. „Mein Frosch hat Paddelfüße“ rief er, „da kommt bestimmt auch gleich einer!“ Mit diesen Worten spannte er die Schnur unter seinen Finger, legte den Rollenbügel um, holte aus und beförderte seinen quitschgrünen Frosch hinaus auf’s Wasser. Immer und immer wieder. Aber es sollte vergebens bleiben. Kein Hecht interessierte sich für seinen Wunschköder. Bei Markus hingegen lief es richtig gut. Er konnte zwar bis dahin keinen Hecht landen, doch waren mehrere spektakuläre Attacken dabei, die uns teilweise den Mund offen stehen ließen. Während Finn eine Pause machte versuchte ich mein Glück.

Ich war guter Dinge, schließlich konnte ich hier schon den ein oder anderen Hecht mit einem Gummifisch überlisten. Der Gummi war neu und ich war begeistert wie er beim einholen flankte.
Wurf für Wurf wurden aber die Zweifel größer ob dieser Köder die richtige Wahl war.
Doch dann, ein Ruck durchfuhr die Rute, kurze Gegenwehr am anderen Ende der Schnur, weg!
Verflucht, der hat sich nicht schlecht angefühlt!

So standen wir jetzt da. Markus mit mehreren Attacken auf auf seinen Spinner-Frosch, ich mit einem Biss auf den Gummifisch und Finn bis dahin ohne Fischkontakt.
Ärgerlich. Wünschte ich mir doch das der Zwerg wenigstens einen kleinen Hecht an den Haken bekommt.
Hilft nix, andere Stelle. Weiter probieren. Das Wetter schien sich auch zu bessern.
Wir gingen ein paar Meter weiter. Kämpften uns durch den hohen Uferbewuchs zu der langen geraden Seite des Weihers.
Markus blieb seinem Köder treu, zu aufregend waren die Angriffe!
Finn wechselte! Jetzt musste ein kleiner Wobbler von 7cm Länge, in Barsch-Dekor herhalten.
„Den hat mir der Markus empfohlen wo wir im Angelladen waren!“ erzählte er mir mit erhoben Zeigefinger. „Der geht immer!“
Ich bin immer noch erstaunt und gleichzeitig unheimlich stolz wie er es mittlerweile schafft, ganz alleine den Köder zu wechseln.
Auch ich entschied mich, trotz Biss, den Köder zu wechseln. Ein Fehler wie sich heraus stellen sollte.
Denn es passierte nichts! Keine Attacke, kein Nachläufer.
Ich glaube diesen komischen Wobbler hat nicht mal einer angeguckt. Also, zurück zum Anfang, der Gummifisch musste wieder herhalten. Da hatte ja schon ein Hecht Interesse dran.
Markus kam auch wieder zu uns herüber. Er war zwar immer noch davon überzeugt heute einen Hecht mit seiner Spinner-Unke zu fangen, benötigt aber erstmal eine Pause.
Finn war immer noch voll dabei. Zum gefühlten hundertsten Mal warf er seine Rute aus.
Dieser kleine Wobbler macht seine Arbeit nicht schlecht dachte ich als er ihn immer kurz vor dem Ufer aus dem Wasser hob.
Aber eine Pause würde uns bestimmt gut tun. Mal fünf Minuten hinsetzen, überlegen.
Finn hatte seinen Wobbler schon im Rutenring eingehangen.
Ich wollte aber noch ein, zwei Würfe machen.
Beim fünften Wurf dann, ich unterhielt mich schon mehr oder weniger demotiviert mit Markus, kam der Einschlag!
Kurz vorm Ufer hat sich ein Hecht meinen Gummifisch geschnappt!
Kein Riese, aber auch kein schlechter wie sich heraus stellte als er das erste Mal aus dem Wasser schoß!
Von Finn war nur ein „Wwooaaa!“ zu hören! Markus griff gleich nach dem Kescher!
Kampflos wollte sich Meister Esox aber nicht ergeben.
Ein paar Sprünge und Fluchten später war er trotzdem im Netz!
Ein schöner Kerl. Zarte 63cm, aber sehr gut genährt!
Ich glaube, die Erleichterung war uns allen anzusehen! Endlich Fisch!

Doch wo waren wir stehen geblieben? Genau, wir wollten Pause machen!
Wie es der Zufall will sahen wir aus der Ferne Finn’s Schulfreund mit seinem Vater laufen!
„Bleibt da, bei den Steinen! Wir kommen!“ riefen wir!
Dort angekommen, erstmal hinsetzen. Kurzen Bericht vom Fang!
Finn schilderte seinem Kameraden genau wie der Drill ablief!
„Finn, wir machen Pause!“ sagte ich zu ihm. „Du kannst gerne noch weitermachen!“
Das lies er sich natürlich nicht zweimal sagen!
Er blieb seinem Wobbler treu und nach kurzen Fachgespräch unter Sechsjährigen flog dieser auch schon wieder raus auf’s Wasser.

Es war der 28. September.
Die Sonne hatte sich etwas durch die Wolken gekämpft und spiegelte sich auf dem Wasser.
Ich beobachtete die zwei Kinder wie sie lachend auf’s Wasser blickten, die Sonne schien mir ins Gesicht und ich schloß kurz die Augen um die Wärme zu genießen.
Als ich die Augen wieder öffnete war alles anders!
Finn stand in Kampfhaltung da, sein Freund schlug die Hände über dem Kopf zusammen!
Ich sah die Rutenspitze und sprang auf, mit den Worten: „Jetzt hat er was!“
Mit gefühlt, einem Schritt war ich bei ihm, griff noch den Kescher und war bereit!
Ruhig mein Sohn, dachte ich!
Es musste ein Hecht sein! Soviel stand fest! Ein guter Hecht! Wir konnten ihn noch nicht sehen.
Das Wasser war trüb.
Ich hocke am Ufer, bereit den Fisch ins Netz zu nehmen. Doch was wird Finn machen?
Es ist nicht der erste Fisch den er drillt. Doch es ist der Größte!
Alle Sorgen sind weg als ich die Bremse der Rolle hinter mir höre!
Gut! Er hat ihn auf Spannung!
Noch immer keine Sicht! Doch dann kommt er hoch!
„Das is’n Guter!“ brüllt Markus von hinten!
Der Fisch macht noch eine Flucht, dann dreht er sich auf die Seite!
Ich drücke den Kescher unter Wasser, Finn versucht den Fisch darüber zu ziehen.
Einmal nachgreifen, dann ist er drin!

Das Gefühl der Erleichterung ist unglaublich!
Und weicht doch gleich dem Entsetzen als ich sehe das der Wobbler sich bereits aus dem Maul gelöst hat! Das war knapp!

Petri Heil mein Sohn!

Die Freude ist Wahnsinn! Alle schreien!
Erste Schätzungen über die Größe machen die Runde!
Hastig eile ich zum Rucksack um das Maßband zu holen.
Penibel lege ich es an der „Schnabelspitze“ an.
Es ist wirklich ein schöner Fisch. Er misst genau 70cm!
Finn steht da, mit offenen Mund und sagt schließlich: „Ist das `ne Maschine!“
Alle lachen!

Ich stütze mich auf die Knie um auf einer Höhe mit Finn zu sein.
Ich kann die Freude und den Stolz in seinem Gesicht förmlich spüren.
„Das hast du sehr gut gemacht Finn, ich bin sehr stolz auf dich!“ sagte ich zu ihm.
Er umarmte mich und sagte: „Danke Papa.“
Doch bevor ich reagieren konnte hatte er schon wieder abgelassen.
Er dreht sich um, nahm seine Angel und lief zum Ufer zurück.

Ich sehe ihn noch da stehen, im Licht der Herbstsonne.

Und wieder flog der kleine Wobbler im Barsch-Dekor raus auf’s Wasser.